Kloster Hirsau – Der Grundriss von St. Peter und Paul
Die genaue Analyse des Kirchengrundrisses kommt zum Ergebnis, dass der Verlauf der Außenmauern einem Quadratraster mit der Maschenweite von 6,123 m folgt. Damit erklärt sich auch der merkwürdige Befund, dass die Kirchenbreite östlich des Querhauses auf beiden Seiten etwa eine Mauerstärke größer ist als im Bereich des Langhauses, denn das Raster legt in den östlichen Kirchenteilen nicht die Außenflucht, sondern die Innenflucht der Außenwände fest. Auch die Außenmaße der ersten Vorkirche (Vorhof) werden noch durch das Raster definiert.
Die größte Breite der Kirche am Querhaus beträgt – gleich wie die Länge der Basilika bis zum östlichen Langhausjoch – 6 Rastereinheiten. Die Größe einer Rastereinheit wurde bei der Planung auf 18 1/2 Fuß festgelegt, so dass 6 Rastereinheiten genau 111 Fuß entsprachen. Das Werkmaß (Fuß) war 33,1 cm lang.
Im Kirchengrundriss sind zahlreiche Zahlen mit christlicher Symbolik und biblischem Bezug verwirklicht. Die Abbildung zeigt die Längen der wichtigsten Abmessungen:
- Die Eins steht in der christlichen Zahlensymbolik für Gott. Deshalb verkörpert die Zahl 111 die perfekte Allegorie der göttlichen Trinität.
- Die Zahl 40 wird in der Bibel mehrfach genannt. 40 Tage fastete Jesus in der Wüste (Mt 4, 2, Lc 4, 2), deswegen dauert die Fastenzeit 40 Tage. Um die Querhausbreite auf genau 40 Fuß zu bringen, wurde dessen Westwand 1/2 Fuß östlich vor die Rasterlinie gesetzt.
- Aufgrund der Berechnung der Lebenszeit Jesu Christi auf Erden durch Eusebius von Caesarea auf 33 1/2 Jahre zählt die Zahl 33 – neben 34 – zu den bekanntesten Symbolzahlen des Mittelalters.
- Die Länge der Basilika beträgt 216 Fuß. Nach römischer Tradition hat die Elle (cubitus) eine Länge von 1 1/2 Fuß. Die Peterskirche ist demnach 144 Ellen lang. In der Offenbarung des Johannes misst die Mauer des himmlischen Jerusalem, das im mittelalterlichen Kirchenbau als Ideal galt, 144 Ellen (Apc 21, 17).
- Die Basilika ist bis zum Mittelpunkt des kreuzförmigen Kirchengrundrisses 150 Fuß lang, das entspricht 100 Ellen. In der alttestamentlichen Version der Himmelsstadt, der Tempelvision des Ezechiel, beträgt die Länge des Tempels 100 Ellen (Ez 41, 13).
Als Urheber dieser Planung kann Abt Wilhelm vermutet werden. Die Ergebnisse werden in der folgenden Untersuchung ausführlich hergeleitet, dargestellt und begründet:
Abt Wilhelms Himmelsstadt. Der Grundriss von St. Peter und Paul in Hirsau und seine zahlensymbolische Deutung
Aus der Mitte des 11. Jahrhunderts ist uns zur Abteikirche von Saint-Bénigne im burgundischen Dijon, die leider fast vollständig dem Abbruch zum Opfer gefallen ist, eine Baubeschreibung überliefert. Der Text nennt Maßzahlen, die auch an St. Peter und Paul eine wichtige Rolle spielen: 40, 33 und 37 (entsprechend 2 Rastereinheiten an der Hirsauer Kirche). Hier liegt offensichtlich eine literarische Parallele zum zahlensymbolischen Konzept vor, das im Grundriss der Hirsauer Kirche umgesetzt ist.
Die Zahlen aus der Baubeschreibung der Chronik von Saint-Bénigne in Dijon