Die Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach
Einhard, der berühmte Biograf Karls des Großen, war einer der wenigen unter den Vertrauten Karls, die nach dessen Tod im Jahr 814 unter dem Sohn und Nachfolger Ludwig dem Frommen ihre Stellung bei Hofe bewahren konnten. Er stieg sogar zu einem der einflussreichsten Ratgeber Ludwigs auf, von dem er seinem Wunsch entsprechend im Jahr 815 die Mark Michelstadt im Odenwald zum Geschenk erhielt. In den Jahren zwischen 815 und 826 ließ Einhard auf dem Gebiet des heutigen Michelstädter Stadtteils Steinbach eine Kirche errichten. Sie sollte auf die Namen der Heiligen Marcellinus und Petrus geweiht werden, deren Reliquien sein Notar Ratleik aus Rom beschafft hatte. Wie Einhard berichtet, taten die Heiligen jedoch durch verschiedene Zeichen und Traumvisionen kund, dass sie nicht im Odenwald bleiben wollten, sondern einen anderen Ort für sich auserwählt hatten – das obere Mulinheim am Main, und dorthin wurden die Reliquien dann auch überführt. An diesem Ort, der später nach den Heiligen in Seligenstadt umbenannt wurde, ließ Einhard für sie eine weitere Kirche bauen – die zweite „Einhardsbasilika“. Beide Kirchen stehen heute noch, und in beiden – in Steinbach mehr noch als in Seligenstadt – blieb trotz verschiedener Abriss- und Umbaumaßnahmen ein beträchtlicher Anteil der ursprünglichen Bausubstanz erhalten.
Nachdem die Steinbacher Kirche zunächst als Gemeindekirche genutzt wurde, richtete das Kloster Lorsch dort ab 1073 eine Propstei ein, die später in ein Nonnenkloster umgewandelt wurde. Nach der Reformation wurde das Kloster säkularisiert und als Spital genutzt; zu Ende des 16. Jahrhunderts war auch die Kirche profaniert. Im Gegensatz zur Seligenstädter Einhardsbasilika geriet der karolingische Ursprung der Steinbacher Kirche, die in der Folge u. a. als Jagdzeughaus genutzt wurde, in Vergessenheit. Sie wurde erst 1873 als Gründung Einhards erkannt, nachdem bis dahin angenommen worden war, dass von dessen erster Kirche keine Spur mehr übrig sei. Das ursprüngliche Mittelschiff ist mit Ausnahme seiner Westwand noch erhalten, ebenso sein apsidialer Ostabschluss. In der obigen Abbildung ist rechts von dieser Hauptapsis die nördliche Nebenapsis zu erkennen, die den ebenfalls noch erhaltenen nördlichen Nebenchor nach Osten abschließt. Der sog. „Winterchor“ rechts im Bild stammt aus den Jahren um 1168. Die 1568 abgebrochenen Seitenschiffe wurden 1972/73 vorrangig zum Zwecke der statischen Aussteifung der hohen Mittelschiffwände wieder aufgebaut.
Obwohl der gute Erhaltungszustand für die Ermittlung des beim Bau der Kirche verwendeten Werkmaßes eigentlich die besten Voraussetzungen bietet, erfuhren die verschiedenen in der Vergangenheit zu diesem Thema veröffentlichten Thesen keine allgemeine Anerkennung. Der nun am Aachener Dom ermittelte „Aachener Kirchenfuß“ mit einer Länge von 28,54 cm kann jedoch auch die Maßgebung der Steinbacher Einhardsbasilika und der ihr im Grundriss sehr ähnlichen Abteikirche von Inda (Kornelimünster) schlüssig erklären:
Basilica non indecori operis. Das Planungskonzept an der Einhardsbasilika in Steinbach bei Michelstadt im OdenwaldZu den Ziegelmaßen in Steinbach und Seligenstadt:
Der Brief Einhards an den Ziegelbrenner Egmunel und die Ziegelformate an den Einhardsbasiliken