Die karolingische Pfalz zu Ingelheim

Abb. 1: Die karolingische Pfalz zu Ingelheim um 800
Abb. 2: Die Überreste der Aula Regia

Einhard, der Biograph Karls des Großen, hebt unter dessen Bauwerken vier namentlich hervor, darunter das palatium in einem Ort namens Ingilenheim. In Abb. 1 ist der Baubestand der karolingischen Pfalz, wie er um das Jahr 800 in etwa ausgesehen haben könnte, nach dem Pfalzmodell der Ingelheimer Forschungsstelle dargestellt. Der Grundriss der Pfalzanlage wurde auf der Grundlage eines Rechtecks und eines diesem im Osten vorgelagerten, von einem halbrunden Baukörper gebildeten Halbkreis entworfen. Dieser Halbkreisbau, das größte Gebäude der Pfalz, orientierte sich an römischen Vorbildern; er ist in der Baukunst des Frühmittelalters einzigartig. Zum Innenhof schloss er mit einem Säulengang ab. Obwohl tatsächlich nicht zu Verteidigungszwecken geeignet, erweckten die an der Außenseite vorgelagerten Rundtürme den Eindruck einer befestigten Stadt. Die beiden mittleren Türme flankierten einen Torbau, von dem im sogenannten Heidesheimer Tor bis heute Reste erhalten sind.

Der Nordflügel bestand aus dem nach Norden vorragenden Querbau und einem langgestreckten Trakt, der wahrscheinlich zum Innenhof – wie der Halbkreisbau – einen Säulengang besaß. Untermauerte Balkone, sogenannte Altane, boten Aussicht auf den ca. 3 km entfernten Rhein. Die Südwestecke des Pfalzbezirks wurde von der Aula Regia, der Thronhalle eingenommen, die zu Teilen noch erhalten ist. Abb. 2 zeigt den Blick zur südseitigen halbrunden Apsis. An der Nordseite der Aula Regia befand sich eine Vorhalle oder ein Vorhof. Ebenfalls noch zum frühen Baubestand zählen der sogenannte kleine Apsidenbau mit ebenfalls südseitiger Apsis und ein kleiner Sakralbau im Zentrum, der wahrscheinlich als Trikonchus mit drei Apsiden im Norden, Osten und Süden ausgeführt war.

Der komplexe Grundriss der Pfalzanlage setzt ein geometrisches Planungskonzept voraus, das bislang ungeklärt war. Anhand der Analyse der großen Baumaße lässt sich die Vermessung des Pfalzbezirks auf der Grundlage der 10-füßigen Rute (pertica) erschließen. Das verwendete Fußmaß ist dem an der Aachener Marienkirche Karls des Großen ermittelten nahe verwandt, aber mit 28,8 cm etwas länger:

Geometrie und Fußmaß an der karolingischen Pfalz zu Ingelheim